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Ist KI eine Bedrohung für Kreative?

06. November 2023

Wir sind Zeugen einer technologischen Revolution. Die künstliche Intelligenz ist da und erobert die Arbeitswelt. Was bedeutet die Entwicklung für die Kreativbranche? Ist KI ein hilfreiches Tool oder eine Arbeitsvernichtungsmaschine?

Bedrohung oder Segen, dunkelste Stunde oder Sternstunde der Menschheit? Die Meinungen über die Künstliche Intelligenz gehen auseinander. Manche sehen darin den Vorboten einer dystopischen Zukunft, in der die Maschine den Menschen die Arbeit wegnimmt, andere eine technologische Revolution, die größer ist als die Erfindung des Buchdrucks, die Nutzbarmachung elektrischer Energie und die Entdeckung der Atomkraft zusammen. Die Automatisierung der Arbeit durch KI soll dem Menschen Raum schaffen, sich um Lösungen für die eigentlichen Probleme der Welt zu kümmern. Was nun?

Die Frage ist nicht mehr theoretisch. Ob wir wollen oder nicht, die Sache ist in der Welt und lässt sich nicht mehr umkehren. Wir sind mittendrin in einer Entwicklung, welche die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, auf den Kopf stellen kann. Und damit endgültig an dem Punkt, uns zu fragen, ob das für uns nun gut oder schlecht ist. Oder lautet die Frage vielmehr, was wir daraus machen?

KI im Kreativ- und Marketingbereich

Betrachtet man die Einsatzmöglichkeiten von KI im Marketing, ist das Tempo der Entwicklungen geradezu schwindelerregend. Noch bevor sich etwas richtig etabliert, ist schon das nächste große Ding da. – Für medialen Wirbel sorgte zum Beispiel Google mit der Ankündigung, KI in die Suche zu implementieren und KI-Antworten zukünftig vor organische Suchergebnisse zu stellen. Das Ende der klassischen Suchmaschinenoptimierung? Jedenfalls könnte sich mit AIRO (AI Results Optimization) eine neue Art der Produktplatzierung im Internet etablieren.

Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Jede Woche entstehen mehr als 300 neue KI-Tools, welche Arbeitsprozesse im Kreativ- und Marketingbereich beschleunigen oder den Output einer einzelnen Arbeitskraft um ein Vielfaches vergrößern. Im kreativen Arbeitsumfeld haben wir uns inzwischen (fast) daran gewöhnt, generative KI zu nutzen. Designer erstellen in kürzester Zeit x Varianten innovativer und komplexer Designs nach vordefinierten Vorgaben. Copywriter nutzen KI, um den kreativen Schreibprozess bei der Erstellung von Texten für Marketingkampagnen, Websites oder Social-Media-Posts anzukurbeln. KI-gestützte Systeme, die in Bildern und Videos Muster, Trends und Emotionen erkennen, helfen Motion-Designern, im Nu Video-Content zu editieren und sogar neuen zu generieren. Inzwischen ist es zum Beispiel möglich, Protagonisten aus Filmmaterial komplett zu entfernen oder durch andere Schauspieler zu ersetzen. Alles Prozesse, die in klassischen Arbeitsvorgängen – sofern sie überhaupt möglich wären – mindestens Tage in Anspruch nehmen würden. Heute dauern sie wenige Stunden.

Allerdings werden momentan noch verschiedene KI-Tools in Arbeitsprozessen miteinander kombiniert. Das heißt, pro Arbeitsschritt kommt ein anderes, passendes KI-Tool zum Einsatz. Bei jedem formuliert ein Mensch die Aufforderungen (Prompts) an die KI, prüft deren Vorschläge und optimiert diese bis zum gewünschten Endergebnis. Allein schon auf diese Weise kann beispielsweise ein einzelner Designer an einem Tag das generieren, wofür früher ein Zweier- oder Dreier-Team nötig war. Die KI quasi als Upgrade, das die Fähigkeiten eines einzelnen erweitert und seinen Output multipliziert. Beeindruckend genug, aber es geht noch besser!

Die Stunde der Agenten

Es gibt schon länger die Idee einer allgemeinen künstlichen Intelligenz (im Englischen Artificial General Intelligence oder kurz AGI), die uns im Alltag permanent zur Verfügung steht, alle Bereiche unserer Tagesabläufe kennt und uns in jeder Situation als Assistent zur Seite steht. Diese soll nicht nur gekapselt in einzelnen Tools laufen, die wir einzeln bedienen und nacheinander benutzen, sondern alle Tools in einem Aufbau beherrschen und selbstständig einsetzen – je nach Bedarf und Aufgabe, die wir ihr stellen.

Haben Wissenschaftler und Forscher eine solche AGI noch bis vor kurzem erst in den späten 2030er Jahren für möglich gehalten, überholt uns gerade die nächste Welle der Entwicklung: So lässt AutoGPT seinen Vorgänger ChatGPT, das es auch erst seit wenigen Wochen gibt, bereits wie ein Kinderspielzeug aussehen. Die Funktionsweise ist ähnlich: Der User stellt eine Aufgabe und die KI löst sie. Der signifikante Unterschied ist aber, dass AutoGPT eine komplexe Aufgabe zunächst analysiert und sich dann selber eine Liste mit Unteraufgaben erstellt. Für diese generiert das Tool eigene KI-Agents, die parallel zur Hauptaufgabe arbeiten. Die Ergebnisse der einzelnen Agenten werden anschließend zu einer Antwort gebündelt, welche AutoGPT selbstständig evaluiert und durch erneuten Anweisungen an die KI-Agents so lange optimiert, bis die Hauptaufgabe erfüllt ist.

Hinzu kommt: Anders als die ursprüngliche und öffentlich zugängliche Version von ChatGPT, die nur Ereignisse bis zum Zeitpunkt Juli 2022 „kannte“, ist AutoGPT mit seinen Agents in der Lage, selbstständig in tagesaktuellen Kontexten zu arbeiten und autark Daten zu speichern, um so zum Beispiel Codes für neue Programme, Apps oder Websites zu schreiben.

Die Maschine schafft sich selbst

Damit erreicht KI ein komplett neues Niveau. Es sind keine separaten KI-Tools mehr nötig, um eine komplexe Aufgabe zu erledigen. Es reicht eine einzige KI, die sich selbst Aufgaben gibt, deren Umsetzung observiert, bewertet und bis zum gewünschten Resultat immer weiter verfeinert. Damit ist man aber schon an dem Punkt, an dem es möglich ist, die KI damit zu beauftragen, eine weitere KI zu erschaffen.

Das lässt stark an dystopische Science-Fiction-Erzählungen denken, in denen Maschinen selbstständig weitere Maschinen bauen, die den Menschen letztlich in Sachen Wissen und Schnelligkeit weit übertreffen und irgendwann nach der Weltherrschaft trachten. Angesichts dessen, dass schon ChatGPT an einem Tag die Leistung erbringt, die einer menschlichen Denkleistung von drei Jahren entspricht, kann es einem schon angst und bange werden.

Automatisierung statt Angst

Aber Angst ist bekanntlich ein schlechter Berater. Statt sich neuer Möglichkeiten zu versperren, sollten wir stattdessen lieber mit Neugier und ja, auch einer Portion Vorsicht an die Sache rangehen. Da hilft zum einen Aufklärung. Es ist wichtig, ein Grundverständnis dafür zu vermitteln, wie KI funktioniert und welche schützenden Leitplanken es im Grunddesign der unterschiedlichen KI-Modelle gibt. Darüber, welche Form der Regulierung sinnvoll und welche gar unbedingt erforderlich ist, wird noch diskutiert. Aber tatsächlich gibt es bereits Limitationen, die den kontrollierten Einsatz von KI ermöglichen sollen.

Im Kreativbereich, wie in vielen anderen Bereichen auch, wird die Automatisierung voranschreiten. Das muss keine Bedrohung sein. Es bedeutet aber, dass das Berufsbild des Kreativen oder Marketing-Spezialisten sich komplett verändern wird und damit auch Agenturstrukturen, wie wir sie bis jetzt kennen. Dabei gilt: Arbeitskräfte, die KI zu nutzen wissen, werden diejenigen, die KI nicht nutzen, aus dem gleichen Berufsbild verdrängen. Analog dazu werden Agenturen, welche sich auf die technologische Veränderung einlassen und KI auf möglichst vielen Ebenen sinnvoll einzusetzen verstehen, im Vorteil sein – allein schon durch die schiere Produktivitätssteigerung. Dabei wird sich der Markt auf ähnliche Weise von selbst regulieren wie beim Wechsel von analogen Klassik-Agenturen zu Digital-Agenturen in der letzten Dekade. Nur, dass alles schneller und dramatischer vonstattengehen wird.

KI ist da und lässt sich nicht mehr wegdenken. Wir sollten jetzt all unsere Kraft und Bemühungen darauf richten, Nutzungsszenarien in der Kreativarbeit zu finden und innovative Angebote für unsere Kunden zu schaffen. Mit Produkten und Dienstleistungen, die mit einer völlig neuer Qualität und Machart überzeugen.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei in der Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI und der Bereitschaft, sich kontinuierlich an neue Technologien und Methoden anzupassen. So wird KI zu einem Tool, das, indem es unsere Kreativität und Effizienz fördert, unser Potenzial auf ein höheres Niveau hebt.

Dieser Beitrag ist in einer kürzeren Fassung zuerst auf New Businnes erschienen.

 

Über den Autor

Kevin Prösel ist seit 2008 kreativer Teil der SAINT ELMO'S Gruppe. Er hat die Ausrichtung der Berliner Dependance auf Content Marketing und Branded Entertainment maßgeblich mitverantwortet und in IPTV-Plattformen und Retail-Kommunikation im POS-Bereich für Automotive-Marken manifestiert. Seit 2016 hat er die Expertise der Agentur auf Experiential Content weiterentwickelt, um die Integration von Experiential Storytelling, Apps und Spaces voranzutreiben. Seine Vision ist es, digitale Szenographie für Marken und Produkte zu schaffen. 

E-Mail: k.proesel@saint-elmos.com

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