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Metaverse: Was ist das und wenn ja, wie viele?

26. April 2022, Kevin Prösel

Es ist erst wenige Monate her, dass aus Facebook Meta wurde und Mark Zuckerberg in einem Youtube-Video seine Vision einer neuen digitalen Welt vorgestellt hat: das Metaverse. Seitdem überschlagen sich die Medien geradezu mit Beiträgen zum Thema. So liest man über Milliarden-Investitionen in Immobilien und Landstriche, die lediglich aus Bits und Bytes bestehen, und staunt über digitale Kunst-Originale (NFTs), die in Auktionen exorbitante Summen erzielen. In Metaverse, so erfährt man, kann das virtuelle Ich (Avatar) unter anderem virtuelle Nike-Schuhe und Gucci-Taschen erwerben, die teurer und exklusiver sind als die realen Produkte im Shop. Tragen kann sie der Avatar dann zum Beispiel bei virtuellen Konzerten oder beim Besuch einer McDonald’s Filiale, wo Happy Meals gegen den virtuellen – und ganz echten! – Hunger angeboten werden.

„The Metaverse is the next evolution of social connection.“ So postuliert Facebook, pardon! – Meta seinen Pioniergeist und seine neue Iterationsform. Es geht um nichts weniger als eine digitale Renaissance, die Revolutionierung des Internets, das neue große Ding! Und um Facebooks Aufbruch in eine neue Welt zu markieren, mussten natürlich ein neuer Name und ein neues Logo her. Praktisch auch, um die Fehler der Vergangenheit möglichst vergessen zu machen. War da was?

Dennoch muss man zugeben, dass Metas Vorhaben gleichermaßen ambitioniert wie faszinierend ist: Eine grenzenlose 3D-Online-Welt, in der virtuelle und erweiterte Realitäten mit der physischen Welt verschmelzen und den Nutzern ganz neue Interaktionsmöglichkeiten bietet. Eine Plattform, die – anders als zum Beispiel in-sich-geschlossene Spielwelten – einen nahtlosen Übergang zwischen unterschiedlichen Anwendungen, Diensten und Erlebnissen bietet: ob Social Networks, Spiele, Meetings, Events, Shopping etc. Noch dazu eine Welt, die jeder mitgestalten kann.

Nur: Die Idee ist nicht neu. Auch wenn das Metaverse inzwischen als Facebook-Marke wahrgenommen wird, sind weder Name noch Konzept eine Erfindung Zuckerbergs. Auch ist Meta nicht das einzige Tech-Unternehmen, das an einer neuen digitalen Welt mit revolutionärem Potenzial baut.

Wer hat’s erfunden?

Zum ersten Mal taucht der Begriff Metaverse 1992 in Neal Stephensons Sci-Fi-Roman "Snow Crash" auf. Das Metaverse bezeichnet dort ein Online-Universum, in das Nutzer mithilfe von VR-Brillen als Avatar – auch ein Begriff, den Stephenson populär gemacht hat – eintauchen und miteinander interagieren können. Und so gilt der Roman bis heute als Inspiration für wichtige Errungenschaften aus der Silicon Valley: So zum Beispiel, neben Facebooks VR-Plattform, für Google Earth (2001), die virtuelle Welt Second Life (2003) oder das Multiplayer-Game Xbox live (2002).

Doch schon 1985 gab es mit dem Spiel Habitat ein erstes, wenn auch schwach vernetztes Metaversum mit grafischer Oberfläche. Gestalterisch ähnelte diese am ehesten dem später erschienenen Spiel The Sims. Erst 1993 konnten aber die ersten VR-Startups komplexere virtuelle Welten entwickeln, durch die sich Nutzer mit einem Datenhandschuh oder einem 3D-Arm bewegen konnten. In den 90ern wurde die Entwicklung aber stark gebremst. Und zwar durch etwas, dem man in Deutschland damals auch keine Zukunft prophezeien wollte: das Internet. Dessen Erfolg war so durchschlagend, dass alle Bestrebungen im Bereich VR in den Schatten gestellt wurden.

Erst mit denjenigen Entwicklungen, die VR und Internet zusammenbrachten, bekam das Thema wieder an Fahrt. Man denke nur an die 3D-Online-Spiele There (1999) und das bereits erwähnte Second Life (2003). Insbesondere letzteres ist schon ziemlich nah an dem, was uns Zuckerberg dieser Tage als „next evolution“ verkaufen will. Und mit 36 Millionen registrierten Nutzern, davon bis zu 65.000 gleichzeitig online, war Second Life schon 2013 ein Riesenerfolg. Jüngere Metaversum-Beispiele sind Decentraland und The Sandbox, die seit 2020 mit dem Verkauf von virtuellen Landparzellen immer wieder in den Schlagzeilen landen.

Wer spielt mit?

Facebooks Metaverse unterscheidet sich von den genannten Beispielen vor allem in dem Ansatz, die Grenzen zu anderen Plattformen, Anwendungen und zur realen Welt zu überwinden. Noch ist es freilich nicht so weit. Vielmehr kann man eine virtuell immersive Social-Media-Plattform erwarten, in die Nutzer komplett abtauchen. Sozusagen eine 3D-Version von Facebook mit virtuellen Interaktions- und Begegnungsräumen.

Spannender und wahrscheinlich alltagstauglicher ist der Gedanke einer graduell abgestuften Überblendung von virtueller Welt und realer Welt. Hier mischen neben Meta auch noch andere Player mit: Dazu gehören Tech-Giganten wie Microsoft, Apple und Google, aber auch vermeintlich kleinere Player wie Snapchat und Niantic, die in diesem Zusammenhang als technologische Speerspitzen der Entwicklung gelten. Sie alle haben verschiedene Ansätze und setzen auf unterschiedliche Kerntechnologien.

So zielt Apple’s Konzept darauf, sämtliche virtuelle Inhalte additiv in die reale Umgebung des Nutzers zu projizieren. Dieser taucht also nicht komplett in eine andere Welt ein, sondern bewegt sich in einer erweiterten Realität, in der die physische Welt mit virtuellen Einblendungen angereichert wird. Die benötigte Hardware will Apple gleich mitliefern: ein Gerät, das wie eine normale Brille im Alltag getragen werden kann. Snapchats Entwicklungen weisen in eine ähnliche Richtung, während Microsoft mit Mixed Reality noch nicht so ganz zu wissen scheint, wohin es genau gehen soll.

So bewegen sich die Manifestationen des Metaverse zwischen den beiden Polen „immersiv“ und „augmented“ – oder besser zwischen „Alternate Reality“ und „Augmented Reality“. Daher empfiehlt es sich, Metaverse einfach als Oberbegriff zu verstehen und zu schauen, was für Erscheinungsformen sich darunter subsumieren lassen. Vielleicht passt das Sinnbild eines Hochhauses, dessen Stockwerke für die unterschiedlichen virtuellen Ausprägungen stehen: erste Etage – 3D-Welten; zweite Etage – immersive Video-Experiences; dritte Etage – virtuelle Try-Ons; vierte Etage – Online-AR-Filter; fünfte Etage – AR-Inhalte über Smart Glasses usw.

Wer hat die Kontrolle?

Neben den rein technischen spielen auch strategische Überlegungen eine Rolle. Meta hat ein starkes Interesse daran, das eigene Metaverse als zentrale Plattform zu etablieren, wo alle 'Fäden' zusammenlaufen. Denn das Geschäftsmodell bleibt gleich: Unternehmen bezahlen dafür, dass ihre Werbung gezielt an Nutzer ausgespielt wird. Das schmeckt der Konkurrenz natürlich nicht. So machte Apple kürzlich mit einem neuen Updates des iOS-Betriebssystems einen dicken Strich durch Metas Werbe-Ambitionen. Denn dieses unterbindet in Apps das Nachverfolgen von Nutzern zur Platzierung von maßgeschneiderten Werbeeinblendungen. Bam, das hat gesessen: Apple der Privacy-Hero, Facebook guckt in die Röhre, der Aktienkurs bricht ein. Die Konkurrenz um die Hoheit über virtuelle Welten ist also längst entbrannt. Gleichzeitig werden die Stimmen lauter, die für ein dezentrales Web plädieren, das nicht von Tech-Konzernen, sondern von den Usern kontrolliert wird.

Wer setzt sich durch?

Dass die virtuelle Welt für alle kommt, ist keine Frage. Die Frage ist nur wann und in welcher Form. Die Gatekeeper, die den Zugang zur Experience bieten – sei es nun per Hardware oder Software – werden sicherlich die Gewinner der Metaverse-Wirtschaft sein. Aber ob sich Meta als Marktführer durchsetzt oder wir alle in Zukunft eine Apple-Brille tragen, ist noch nicht abzusehen. Entscheidend werden am Ende die Qualität der Inhalte und der User-Experience sein.

Noch sind wir am Anfang der Entwicklung und erleben gerade – trotz heterogener Plattformen und verschiedener Ausrichtungen in Punkto Nutzung, Interaktionen und Immersion – die Goldgräberstimmung, die für neu entstandene Märkte so typisch ist. Doch genau hier liegen auch die Chancen: Denn Euphorie und Neugier befeuern die Nachfrage und die Nachfrage schafft Innovation. Egal, was wir also von Zuckerbergs Interpretation des Metaverse halten möchten, für den Buzz, den er damit losgetreten hat, können wir ihm dankbar sein.

 

Über den Autor

Kevin Prösel ist seit 2008 kreativer Teil der SAINT ELMO'S Gruppe. Er hat die Ausrichtung der Berliner Dependance auf Content Marketing und Branded Entertainment maßgeblich mitverantwortet und in IPTV-Plattformen und Retail-Kommunikation im POS-Bereich für Automotive-Marken manifestiert. Seit 2016 hat er die Expertise der Agentur auf Experiential Content weiterentwickelt, um die Integration von Experiential Storytelling, Apps und Spaces voranzutreiben. Seine Vision ist es, digitale Szenographie für Marken und Produkte zu schaffen. 

E-Mail: k.proesel@saint-elmos.com

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