Saint Elmo's: Eine gute Marke ist eine gute Story

News

Eine gute Marke ist eine gute Story

24. September 2019, Hubertus von Lobenstein

Als die Frau des Perserkönigs Schahrayar ihn mit einem Sklaven betrügt, beschließt der König, den Frauen nicht mehr zu vertrauen. Er heiratet zwar jeden Tag, die Angetraute wird jedoch am nächsten Morgen nach vollzogener Hochzeitsnacht getötet, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen.

Sheherazade, die schöne Tochter des Königs Großwesirs schaut sich dies eine Weile an. Schließlich beschließt sie, sich selbst dem König als Braut anzubieten und er willigt ein. Doch in dieser Hochzeitsnacht kommt alles anders. Denn da beginnt Sheherazade damit, ihrem Mann Geschichten zu erzählen. Sie erzählt die ganze Nacht hindurch und der König hört gefesselt zu. Als es schließlich hell wird und der Henker schon vor der Tür wartet, um die Frischverheiratete zur Hinrichtung zu bringen, bricht Sheherazade ihre Geschichte kurz vor dem Ende ab. Alles Bitten des Königs hilft nichts. Erst am nächsten Abend ist sie bereit, den Ausgang zu verraten.

In der darauffolgenden Nacht erzählt sie das Ende und, weil die Nacht noch lang ist, beginnt sie eine neue Geschichte. Die sie beim Tagesanbruch wieder unbeendet lässt. – Und so fesselt Sheherazade 1001 Nacht lang ihren Mann mit ihren Geschichten, bringt in dieser Zeit drei Kinder zur Welt, beeindruckt den König mit ihrer Klugheit und überzeugt ihn schließlich von ihrer Treue.

Werbung wie aus 1001 Nacht?

Was Sheherazade in 1001 Nacht geschafft hat, das haben Marken in ihren besten Momenten mit ihrer Kommunikation geschafft: Verzauberung durch die Macht des Geschichten-Erzählens. Manche dieser Geschichten werden heute noch erzählt. Der Wackel-Elvis von Audi, die Ohrfeige von Mercedes, das Du-meckerst-ja-gar-nicht der TUI gehören für mich zum Beispiel dazu. Es gab eine Zeit, da ging man extrafrüh ins Kino, um die Werbegeschichten von Levis, P&S u.a. vor dem Hauptfilm nicht zu verpassen. Und manchmal erzählten Anzeigen-Doppelseiten im Stern genauso spannende Geschichten wie die journalistischen Beiträge. Und die Leser erzählten die Geschichten gerne weiter.

Letzte Woche war ich im Kino, habe dreimal zur Hauptwerbezeit ferngeschaut und meine übliche Zeitungslektüre genauer unter die Lupe genommen. Eine enttäuschende Erfahrung: Von ganz, ganz wenigen Ausnahmen abgesehen hat das, was man klassische Werbung nennt, heute verlernt, Geschichten zu erzählen. Geschichten, die ihre Zielgruppen fesseln, faszinieren, verzaubern und dadurch für die Marke begeistern. Selbst in ehemaligen Hochburgen der Geschichtenerzähler, wie zum Beispiel der Autowerbung, herrscht weitestgehend grausame Geschichtenarmut. Stattdessen gibt es viel technischen Aufwand, viel Lärm, viel Preis und viel sprachliches “corporate bullshit bingo”. Und am Ende bestenfalls nett anzuschauende 30-Sekunden-Standbilder. Ist es das, was Kunden und Zielgruppen emotional mit der Marke verbinden sollen? Und was die Markenidentität ausmacht?

Geschichtenerzählen liegt uns in den Genen. Eigentlich.

Ich frage mich, warum so wenig Marketingabteilungen und Agenturen die Lust und Freude der Menschen an guten Geschichten und ihre Lust am Weitererzählen berücksichtigen. Und warum so viel Geld für Nichtssagendes ausgegeben wird. Und das in Zeiten, in denen man an jeder Ecke hört, wie wichtig Storytelling sei, und in denen weitererzählbarer, weiterpostbarer, weiterblogbarer Content über Erfolg und Misserfolg der Markenkommunikation entscheidet. Ist es dann nicht geradezu fahrlässig, auf das Geschichtenerzählen zu verzichten? Denn, wie schon der alte Management- und Marketing-Guru Tom Peters (u.a. Autor des Klassikers „In Search of Excellence“) feststellt, liegt uns das Geschichtenerzählen eigentlich in den Genen. Und er kommt zu dem Schluss: „Story is more powerful than the brand, best story wins!”

Das stimmte zu Zeiten Sheherazades. Das stimmt heute. Und das stimmt insbesondere für die Zukunft. Dabei ist es keinesfalls so, dass Geschichtenerzählen nur auf digitalen Plattformen funktionieren. Im Gegenteil: Klassische Werbung ist nicht tot, die Art und Weise, wie ihre Kanäle heute genutzt werden, ist es dagegen schon. Vielleicht hilft es ja, einfach mal wieder die Märchen aus 1001 Nacht zu lesen.

Saint Elmo's: Hubertus von Lobenstein

Über den Autor

Hubertus von Lobenstein, Geschäftsführer Saint Elmo's Berlin, schreibt über Markenführung, Social Media, Nachhaltigkeit und alles andere, was dazu beiträgt, Marken mehr wert zu machen.

E-Mail: H.vonLobenstein@saint-elmos.com

Saint Elmo's Berlin Kreativagentur

Saint Elmo's
Berlin

Ziegelstraße 16
10117 Berlin

T:+49 (0)30 6953570-0
E-Mail: berlin@saint-elmos.com

Zeig mir mehr