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Dauerzustand Homeoffice?

23. Juni 2020, Detlef Arnold

Mit dem Laptop in der Balkon-Hängematte, daneben griffbereit eine Tasse Cappuccino. Vogelgezwitscher statt Kollegengequassel und frische Brise statt Büromuff ... So in etwa stellten sich Kreative früher Heimarbeit vor. Bis die Corona-Krise kam und die romantische Vorstellung zerstörte. Denn die Homeoffice-Realität sieht eher so aus: Die Kinder schreien, das Klopapier ist alle und der Kunde erwartet asap die nächste Präsentation. Zwischendurch virtuelle Meetings mit Kollegen, mit denen man die „next Steps“ bespricht, bevor man sich wieder ganz allein auf die Suche nach kreativen Ideen und Klopapier begibt.

Stößt die Digitalisierung der Arbeit an ihre Grenzen?

In der Corona-Zeit ist Zuhause-Arbeiten plötzlich zur Rettung geworden. Haben sich deutsche Unternehmen beim Thema Digitalisierung der Arbeit jahrelang eher kritisch und zögerlich verhalten, beschert ihnen die Krise einen längst fälligen Digitalisierungsschub. Heimarbeit, allgemein Homeoffice genannt, wurde quasi über Nacht als Arbeitsmodell etabliert. Und siehe da, es funktioniert! Aber ist die allgemeine Euphorie darüber in den Unternehmen gerechtfertigt? Taugt Remote Work als dauerhafte Lösung und kann die digitale Kommunikation den persönlichen Austausch ersetzen?

Einer Studie der australischen Curtin University zufolge können virtuelle Arbeitsteams unter Umständen sogar effizienter als traditionelle sein. Eine Voraussetzung dafür ist aber, dass der Mangel an persönlicher Interaktion durch regelmäßiges Feedback ausgeglichen wird. Nicht sehr gut schneidet die Zusammenarbeit auf Entfernung ab, wenn es um Aufgaben geht, die einen intensiveren Austausch zwischen den Teammitgliedern erfordern. Dazu gehören Aufgaben, die komplex, uneindeutig und nicht-routinehaft sind oder dringend erledigt werden müssen. In solchen Fällen sind die Teams im Vorteil, in denen direkt kommuniziert wird.

Warum eigentlich?

Über digitale Kommunikationskanäle wird nur ein Teil der Informationen vermittelt und da sind Missverständnisse oft vorprogrammiert: Wer hat sich nicht schon einmal den Kopf darüber zerbrochen, wie die Formulierung in einer E-Mail gemeint sein könnte? – In der direkten Kommunikation kann man sich schneller und effizienter austauschen. Auch, weil man unmittelbar mitbekommt, wie der Gesprächspartner auf das Gesagte reagiert. Denn nur 7 Prozent der menschlichen Kommunikation machen Wörter aus. Der Rest besteht aus Körperhaltung, Mimik und Gestik, Tonlage und Lautstärke, die es leichter machen, Aussagen und Intentionen richtig zu deuten.

Video-Calls, in denen sich die Teilnehmer sehen können, kommen der Face-to-Face-Kommunikation näher. Doch auch hier wird der Informationsaustausch eingeschränkt. Man kommuniziert nicht spontan und frei, sondern man verabredet sich zu einem konkreten Anlass, der den Rahmen für das Gespräch vorgibt. Das Teilen von Informationen ist dann meist auf Effizienz ausgelegt, für das Spontane und Persönliche bleibt wenig Raum.

Eine noch realitätsnähere Kommunikation versprechen Technologien wie VR, MR und AR. Mithilfe der Mixed-Reality-App Spatial beispielsweise können Nutzer sich schon heute holografisch begegnen und als Avatare miteinander interagieren. Eine gute Alternative für Meetings, wenn persönliche Treffen nicht möglich sind. Doch für längere und spontane Anwendungen eignen sich solche Lösungen schon aufgrund der unhandlichen Brillen nicht, die die Nutzer dafür tragen müssen.

Kann man auf den persönlichen Austausch verzichten?

Der Mensch ist kein Automat, der Informationen aufnimmt und ausspuckt, sondern ein soziales Wesen. Er braucht den persönlichen Austausch, um Resonanz zu bekommen und Verbundenheit mit anderen zu erfahren. Um Emotionen zu teilen und um andere Blickwinkel und Gedanken kennenzulernen, die ihn weiterbringen können. Und um sich von anderen inspirieren zu lassen.

So überrascht es kaum, dass in einer aktuellen Onlinebefragung der Universität Konstanz ein Drittel der Beschäftigten angibt, sich in Heimarbeit sozial isoliert zu fühlen. Dass der persönliche Kontakt bei der Arbeit ein Grundbedürfnis bleibt, zeigt auch das Phänomen Coworking. Viele Freelancer, die theoretisch von überall arbeiten könnten, schätzen dann doch den festen Arbeitsplatz und das Miteinander im Büro. Die Einblicke in fremde Fachbereiche, der spontane Gedankenaustausch, der zwangslose Plausch an der Kaffeemaschine, das gemeinsame Lachen und Lamentieren – all das gehört eben auch zu einer gesunden Arbeitsatmosphäre.

Nicht ohne Grund haben Großunternehmen wie IBM, Microsoft, Yahoo und SAP, die Homeoffice teilweise bereits in den 90ern eingeführt haben, bis 2019 die Regelung wieder aufgegeben oder sich für eine Mischform mit Präsenzzeiten im Unternehmen entschieden. SAP-Personalchef Cawa Younosi äußerte sich dazu im vergangenen Jahr im Handelsblatt: „Wir wollen keine 100 Prozent Mobilarbeit. Wenn die Mitarbeiter nie ins Büro kommen, ist das schädlich für unser Teamgefüge.“

Einsam kreativ?

Die Grenzen der digitalen Kommunikation machen sich auch oder vielleicht gerade im Marketing bemerkbar. Denn Marketingarbeit besteht zwar zu großen Teilen aus Routinearbeiten, aber im Kern geht es um komplexe kreative Lösungen, die in interdisziplinären Teams entwickelt werden. Das Mad-Men-Klischee des kreativen Einzelgängers, der laufend weltverändernde Ideen aus dem Ärmel schüttelt, ist veraltet. Heute müssen Designer, Konzepter, Texter und Strategen Schulter an Schulter zusammenarbeiten, um das beste Ergebnis zu erzielen. Dafür reicht es nicht, einzelne Puzzleteile zusammenzufügen, die Teammitglieder von der Balkon-Hängematte aus beisteuern. Sondern es braucht einen gemeinsamen Kreativprozess mit direktem Austausch und gegenseitiger Inspiration. Anders gesagt: Es braucht das echte Miteinander, damit aus kreativen Funken ein Leuchtfeuer wird.

Immerhin: Die Corona-Krise hat uns das Experiment Dauerhaft-Zuhause-Arbeiten ermöglicht. So können wir erkennen, was virtuelle Kommunikation leisten kann und was nicht. Wir würden sonst vielleicht immer noch vom Homeoffice als idealem Zustand träumen, in dem wir ungestört arbeiten können. Jetzt wissen wir: Das Miteinander ist auch nicht so schlecht!

Detlef Arnold

Über den Autor

Detlef Arnold ist Geschäftsführer und Partner von SAINT ELMO'S Hamburg. Als Schwabe hat er die Cleverness und die Effizienz bereits in den Genen und dazu entdeckte er schon früh seine Leidenschaft für crossmediale Kommunikationslösungen. Er war Geschäftsführer in nationalen und Network-Agenturen und betreute über die letzten 20 Jahre zahlreiche namhafte Unternehmens- und FMCG-Marken.

E-Mail: d.arnold@saint-elmos.com

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