Saint Elmo's: Personalsuche: Shakehands mit einem Geist

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Personalsuche: Shakehands mit einem Geist

29. April 2019, Lasse Matthiesen

"So machen wir das, Hand drauf, wir schicken in den nächsten Tagen den Vertrag raus und freuen uns auf die Zusammenarbeit." So oder ähnlich lief in den vergangenen 12 Monaten so manches Bewerbungsgespräch ab. Beide Parteien waren sich einig, dass man den gemeinsamen Weg in die Zukunft startet.
 
Gesagt, getan. Der unterzeichnete Vertrag geht gleich am Folgetag raus, die freie Stelle wird aus dem Stellen-Tool herausgenommen und die HR-Abteilung entsprechend informiert. Die Geschäftsführung ist froh, eine Personal-Baustelle geschlossen und die Mehrbelastung des Teams beziehungsweise die Freelancer-Kosten reduziert zu haben.

Eine Woche vergeht. Fragen scheinen seitens des Bewerbers keine vorhanden zu sein, der unterzeichnete Vertrag sollte also bald zurück sein. Zwei Wochen vergehen. Der Vertrag ist noch nicht zurück. Naja, vielleicht ist noch etwas unklar gewesen. Wir senden eine freundliche E-Mail und fragen nach. Drei Wochen vergehen. Immer noch keine Antwort. Die Personalabteilung telefoniert und schreibt hinterher – ohne Glück. Nach vier Wochen erhalten wir eine E-Mail des Kandidaten: „Leider hat sich in der Zwischenzeit eine sehr interessante Jobalternative für mich ergeben, sodass ich Euch leider absagen muss.“
 
Fazit? Einen Monat verloren, die Personalsuche beginnt von vorn und das Provisorium verlängert sich.
Haben wir nur Pech gehabt? War es falsche Menschenkenntnis? Oder steckt vielleicht mehr dahinter? Im Recruiting jedenfalls mehren sich die Fälle, in denen Kandidaten trotz verbindlicher Zusage abspringen. Und „Job-Ghosting“ – das so viel wie „nicht erscheinen, nicht antreten oder einfach fernbleiben vom Job“ bedeutet – ist bereits dabei, zum Buzzword zu werden.

 

Woran liegt es?

Die neue Unverbindlichkeit

Als "Hamburger Kaufmann" bin ich es gewohnt, dass ein Wort zählt und ein Handschlag ein Vertrag ist. Diese Eigenschaft scheint häufig nicht mehr zum Charakter-Portfolio zu gehören.

Die heutige Generation der Jobeinsteiger ist mit Handy und Smartphone aufgewachsen. Was dies für Verabredungen und konkrete Zusagen bedeutet, wissen alle. Bis die Verabredung wirklich vor einem steht, ist nichts verbindlich. Stichwort: "Lass' uns nachher nochmal telefonieren!" Oder: "Ich melde mich nochmal per WhatsApp". Und falls eine bessere Option über den Weg läuft: „Du, ich bin hier jetzt noch hängengeblieben, kann sein, dass es später wird." Oder eben gar nicht.

Keine Konfliktkompetenzen

Ähnlich, wie wir es von unseren amerikanischen Freunden kennen, die alles "awesome" und "great" finden und damit einen möglichen Konflikt mit dem Gegenüber umgehen, entziehen sich auch viele junge Menschen unangenehmen Gesprächssituationen. Sie haben nicht gelernt, „nein“ zu sagen zu können oder Kritik auszuüben. Vielleicht, weil sie zu wenig kritisiert wurden? Diese Erfahrung stärkt zwar das Selbstbewusstsein und sorgt dafür, dass man in Bewerbungsgesprächen oft einen guten Eindruck hinterlässt, auf das wahre Leben bereitet sie aber nicht vor.

Viele Optionen, wenig Druck, kein Plan A

Der Fachkräfte-Mangel, der demografische Wandel und die digitale Transformation sorgen dafür, dass sich Unternehmen in einem starken Wettbewerb um Jobkandidaten befinden. Gleichzeitig sind Berufsbilder und Jobmöglichkeiten vielfältiger geworden und Bewerbungen können über Jobportale fast automatisiert versendet werden. So hat man als Jobsucher oft mehrere Bewerbungen parallel laufen. Und um sich bis zuletzt alle Optionen offenzuhalten, macht man auch mal provisorische Zusagen oder sagt nachträglich ab, falls man es sich doch noch anders überlegt hat. Weil das keine negativen Konsequenzen nach sich zieht und… das nächste Jobangebot nicht weit ist.

Was können wir ändern?

Bewerber besser screenen

Die Digitalisierung und neue Arbeitsmodelle (New Work) erfordern von Mitarbeitern inzwischen viel mehr als reine Fachkompetenzen. Softskills, also soziale, mentale, personale und kommunikative Kompetenzen, gewinnen in der neuen, sich schnell verändernden Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung. Sie im Jobinterview zu ermitteln, ist aber nicht ganz einfach. Und ob sich Eigenschaften wie Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit im Gespräch prüfen lassen ist fraglich.

Sind vielleicht Assesment-Center oder Probearbeiten bessere Alternativen zum klassischen Bewerbungsgespräch? Schon die Bereitschaft beziehungsweise Nichtbereitschaft des Bewerbers dazu verrät eventuell, wie ernsthaft sein Interesse an der Stelle ist.

Neue Anreize schaffen

Dass Kickertisch und Kaffee-Flatrate nicht mehr reichen, um Bewerber zu beeindrucken, hat sich herumgesprochen. Heute geht es dem Nachwuchs, vor allem dem jungen, um Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeitgestaltung, abwechslungsreiche Tätigkeiten, mehr Verantwortung, Auszeit- sowie Fortbildungsmöglichkeiten und überhaupt mehr Freiräume. Mit New Work gibt es bereits Ansätze, mit denen Unternehmen dem Zeitgeist folgen wollen. Der wichtigste besteht vermutlich darin, auf individuelle Wünsche und Bedürfnisse der (künftigen) Mitarbeiter einzugehen. In der Hoffnung, dass die dann honoriert wird.

Neue Strukturen schaffen

Ist die Festanstellung an sich ein überholtes Modell? Vielleicht benötigen wir in Zukunft nur noch wenige feste Mitarbeiter und bedienen uns dann, je nach Projekt, aus einem Pool von freien Kollegen und Spezialisten, die sich in der Cloud organisieren und danach wieder auflösen. Möglich wäre es. Doch auch bei solchen Formen der Zusammenarbeit muss man sich aufeinander verlassen können.

Fazit: Es gibt für Arbeitgeber einige Ansätze, wie sie Bewerber mit den richtigen Eigenschaften für sich gewinnen können, die ultimative Lösung ist aber nicht dabei. Das liegt unter anderem daran, dass die Wurzeln des Problems viel tiefer liegen und Job-Ghosting lediglich ein Symptom für ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. War Unverbindlichkeit früher ein No-Go, gehört sie bei den jüngeren Generationen fast schon zum guten Ton. Darunter leiden aber nicht nur berufliche, sondern auch soziale Beziehungen. Um etwas zu ändern, muss man bei der Erziehung anfangen. Elternhaus, Schule und die Gesellschaft selbst sind gefragt, wenn es um die Vermittlung der Werte geht, die für ein funktionierendes Zusammenleben wichtig sind. Und auch für das Berufsleben gilt: Verbindlichkeit und Vertrauen werden immer die Basis für gute Zusammenarbeit bilden. Fehlen sie, wird aus New Work schnell „No Work“.

Saint Elmo's Berlin Kreativagentur

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