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Der Sound macht das Gefühl So nutzt man die emotionale Kraft von Musik im Marketing.

13. December 2017, Tim Stickelbrucks

„Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu Tanzen“, verkündete einst der legendäre Frank Zappa. Und dennoch, wir müssen darüber reden, denn mit dem Einsatz von Musik in der Markenkommunikation steht es nicht zum Besten. Während sich die Werbewelt derzeit die Köpfe über die Bedeutung und Wert von Content Marketing heiß redet, wird mit Musik ein wesentlicher Content, der stetiger Bestandteil der meisten Kampagnen ist, freundlich formuliert, recht stiefmütterlich behandelt.

Der Status Quo

Wer kennt nicht die Sätze: „Die Musik im Mood-Film war doch eigentlich ganz gut, nehmen wir doch die.“ „Für Musik hatten wir im Budget gar nicht mehr so viel vorgesehen, gibt es da nicht etwas Günstiges, bei dem man keine GEMA zahlen muss?“ „Meine Tochter findet ja Lady Gaga ganz gut, können wir nicht die bekommen?“ Sätze, die bloßstellen, mit welcher Oberflächlichkeit Marken dauerhaft Schaden zugefügt wird. Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass wir in unserer Branche, in der wir versuchen, alles vorab zu messen und optimal auszusteuern, mit einem wesentlichen Gestaltungselement unserer Kommunikation so unprofessionell umgehen.

Obwohl wir inzwischen musikspezifisch über Big Data und objektive Kriterien verfügen, beim Einsatz von Musik regieren Zufall, spontane Bauchentscheidungen oder schlichtes Desinteresse. Das ist gelebter Alltag in Agenturen und Marketingabteilungen. Kaum ein Kampagnenbriefing enthält Eckpunkte für eine Audio-Strategie einer Marke. Es werden visuelle Styleguides erstellt, Markenkerne definiert, aber eine Strategie für Audio und Musik? Meist Fehlanzeige, und das ist ein elementarer Fehler!

Warum Musik?

Schließlich werden wir als Menschen noch vor unserer Geburt im zarten Alter von 18 Wochen durch den Klang des Herzschlages unserer Mutter für immer rhythmisch geprägt, lange bevor wir den ersten visuellen Eindruck von unserer Welt erfahren. Über 80% unserer Bevölkerung hören aktiv und täglich Musik. Wir besitzen über sechs verschiedene Endgeräte für den Musikkonsum pro Person. Warum? Dank Studienergebnissen wissen wir, dass wir uns damit bewusst oder auch unbewusst in eine von uns gewünschte Stimmung bringen wollen: hochmotiviert für das Fitness-Training oder völlige Entspannung für die Fahrt nach Hause. Jeder kennt das ergreifende Gefühl, wenn man gemeinsam mit tausend anderen Fans den Chorus seines Lieblingsliedes beim Konzert mit einstimmt. Jeder kennt die Gänsehaut und die stillen Tränen, die Musik bei so vielen Meilensteinen unseres Lebens auszulösen vermag: der Hochzeitsmarsch, die Trauerprozession, das schräg intonierte „Happy Birthday“ der Kollegen. Musik verbindet Menschen, löst Konversationen aus und schafft unvergessliche Erfahrungen.

Dieser Ausdruck der emotionalen Verbindung schärft sich noch mehr in unserer digitalen Welt. 40% aller Social Media Nutzer binden Musik in ihre persönlichen Profile ein. Denn wir definieren uns über Musik, interagieren mit Musik. Musik ist Teil und Ausdruck unserer Persönlichkeit.

Und wie jetzt?

Natürlich haben Marken dies an sich schon lange erkannt und dennoch gibt es nur wenige rühmliche Ausnahmen zur Regel, die es mit einer echten Audio-Strategie vermögen, ihr Markenprofil emotional aufzuladen, z.B. Coca-Cola, Apple, Vodafone, McDonalds oder die Telekom. Sie alle kennen die Faktoren für erfolgreiches Storytelling: Emotion, Dialog, Exklusivität und Erlebnis. Musik zahlt auf alle vier dieser Faktoren ein. Zahlreiche aktuelle Studien zeigen auf, dass Kaufentscheidungen von Konsumenten immer stärker durch emotionale Werte als von funktionalen Vorteilen gesteuert werden. Dies untermauert das wahre Potential von Musik für Marketing. Innerhalb von Sekunden können Stimmung und Gefühle einer Zielgruppe direkt angesprochen werden, aus Kunden werden Fans einer Marke.

Wie schnell sich eine scheinbar angestaubte Marke wie Edeka mittels Musik in den Köpfen umpositionieren lässt, belegte vor zwei Jahren recht anschaulich die „Supergeil“-Kampagne, getrieben vom schrägen Song des Berliner Künstlers Friedrich Liechtenstein. Die Musik bildet die Basis für ein perfekt inszeniertes digitales Storytelling über alle Kanäle. Neben den Millionen Abrufen des Youtube-Videos diente auch die breite Medienberichterstattung und die daraus entstandene öffentliche Diskussion der Erreichung des Kommunikationsziels: der Marke eine neue emotionale Identität zu geben.

Der Weg zur erfolgreichen Strategie

Doch ist es nicht damit getan, einen x-beliebigen Titel, der den aktuellen Zeitgeist reflektiert, in Kommunikationsmitteln der eigenen Marke einzusetzen. Zur Entwicklung der richtigen Strategie sollte sich jede Marke die folgenden Fragen stellen:

Welche Botschaft kann Musik zu meiner Marke senden?

Welcher Sound vermittelt authentisch die Positionierung, Persönlichkeit und Kernwerte meiner Marke?

Welche Musikprojekte können sich zum beiderseitigen Nutzen mit einem Partner in der Musikindustrie verwirklichen lassen?

Letztlich fällt spätestens hier das Zauberwort „Integration“. Musik muss in die Markenpositionierung integriert werden, muss ein langfristig geplanter Bestandteil der Marketingstrategie werden, ein Teil der DNA der Marke.

Steven Heyer äußerte in seiner Funktion als COO von Coca-Cola einst, dass „die Erosion bei Massenmärkten und der Trend zur Personalisierung Marketing zu einer erlebnisorientierten Wirtschaft treibt.“ Musik ist DAS Medium, um erlebnisorientierte Marketingkommunikation emotional mit Leben zu erfüllen. Und Armin Jochum wurde im Handelsblatt wie folgt zitiert: „Musik ist die meistunterschätzte Kraft der Werbung. Die richtige Musik hat die Wucht, aus einem Werbefilm einen Blockbuster zu machen. Die richtige Musik kann kleinen Geschichten Größe geben. Sie öffnet neue Schubladen im Kopf, im Bauch und in den Herzen, schneller, als es Markt- und Hirnforscher zusammen messen können.“

Genau deshalb muss Musik vom Ende der Agentur-Nahrungskette als lästige Teilaufgabe von Produktionsfirmen zurück auf den Cheftisch als elementarer Bestandteil der Markenführung.